Praktikermethode: Unternehmensbewertungen nach dem Schweizer Verfahren erklärt

Als Kombination aus der Substanzwertmethode sowie der Ertragswertmethode reflektiert die Praktikermethode, die an die Vorgehensweise der Schweizer Steuerbehörden angelehnt ist, sowohl fortlaufende und prognostizierte Erträge sowie Substanzwerte eines Unternehmens. Wir erklären, wodurch sich dieses Verfahren charakterisiert und wann es besonders häufig Anwendung findet.

Abgrenzung zur Mittelwertmethode nach dem Stuttgarter Verfahren

Die Praktikermethode unterscheidet sich von der Mittelwertmethode in einem wichtigen Detail: Hier erhalten Erträge in der Regel eine doppelte; Substanzwerte eine einfache Gewichtung, während es beim Stuttgarter Verfahren genau andersherum ist. Damit offenbart sich ein weiterer Grund, warum fachliche Expertise und Erfahrung in der Unternehmensbewertung besondere Bedeutung erhält: Der angewandte Bewertungs-Mix ist individuell auf das Unternehmen abzustimmen, um verlässliche Ergebnisse zu erhalten.

Im Regelfall lautet die Formel der Praktikermethode: Netto-Unternehmenswert = Netto-Ertragswert * 2 + Netto-Substanzwert, geteilt durch 3.

Eine individuelle Anpassung ist aber nach wie vor möglich und häufig nötig. So könnte man die Gewichtung zwischen Ertrag und Substanz beispielsweise anpassen. Das hier vorgestellte 2:1-Verhältnis gilt aber als deshalb geläufig, weil es in dieser Form der Schweizer Fiskus nutzt.

Anpassung der Praktikermethode aus Sicht von Investoren

Eine etwaige Abgrenzung gegenüber der Praktikermethode, wie sie von den Schweizer Steuerbehörden genutzt wird, ist aus einem Gros von Gründen teilweise notwendig. So ist der angesetzte Kapitalisierungssatz, welcher bei den Steuerbehörden immer identisch ist, aus Investorensicht nicht zwangsläufig geeignet. Dieser gehört entsprechend dem übernommenen Risiko und weiteren individuellen Unternehmens- sowie Wirtschaftlichkeitsmerkmalen angepasst. Des Weiteren werden die einzelnen Werte aus dem unbereinigten Jahresabschluss hergeleitet, auch hier besteht unter Umständen Anpassungsbedarf, beispielsweise um eine zu hohe Gewichtung von Einmaleffekten zu vermeiden.

Beispiele, wann die Praktikermethode im M&A-Bereich angewendet wird:

  • Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU): Besonders geeignet für die Bewertung von KMUs, die weniger komplexe Bewertungen benötigen.
  • Schnelle und einfache Bewertung: Wenn eine unkomplizierte und rasche Unternehmensbewertung erforderlich ist.
  • Branchenspezifische Faustregeln: Für Branchen, die oft spezifische Bewertungsmaßstäbe oder Multiplikatoren verwenden.
  • Fehlende detaillierte Ertragsprognosen: Wenn detaillierte und langfristige Ertragsprognosen nicht verfügbar oder schwer zu erstellen sind.
  • Schweizer Markt- und Branchenkontext: Insbesondere wenn das Unternehmen in der Schweiz tätig ist oder wenn schweizerische Bewertungspraktiken relevant sind.
  • Nachfolgeregelungen: Häufig bei Unternehmensnachfolgen, insbesondere in familiären oder persönlichen Kontexten.
  • Ergänzung zu anderen Bewertungsmethoden: Kann als Ergänzung zu komplexeren Bewertungsverfahren dienen, um die Bewertungsergebnisse zu validieren oder zu ergänzen.

Sehr häufig kommt die Praktikermethode beispielsweise bei Unternehmen aus diesen Branchen zum Einsatz:

  • produzierende Gewerbe
  • Handwerksunternehmen
  • Handelsunternehmen

Bei geplanten Fusionen, Übernahmen oder vergleichbaren Transaktionen rückt die Praktikermethode, aufgrund der doppelten Gewichtung der Erträge, automatisch die Ertragsstärke eines Unternehmens in den Fokus. Aus Sicht von Investoren ist das besser geeignet als eine Übergewichtung der Substanz, da selbige allein keine Erträge gewährleistet. Investoren hingegen achten vermehrt auf die Amortisationsdauer ihres Kapitals.

Anpassungen sind auch an anderer Stelle möglich, unter anderem mit Hinblick auf die Gewichtung einzelner Geschäftsjahre. Denkbar wäre beispielsweise eine Übergewichtung des aktuellen Geschäftsjahres, sofern hierfür ein gravierender Grund besteht. Die Höhe des Diskontsatzes, der sich aus der Addition von risikolosen Zinssätzen, Risikozuschlägen und Aufschlägen errechnet, unterliegt ebenfalls einem gewissen Interpretationsspielraum.

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